Mein Weg zur Nachhaltigkeit begann nicht aus einem großen Ideal heraus – sondern eher zufällig. Anfangs war es eine modische Tendenz, die mir in den Medien begegnete. Ich fing an, mich für nachhaltige Produkte und Prozesse zu interessieren – ohne tiefgehendes Verständnis, eher aus Neugier.

Erst im Jahr 2011, während meiner Dissertation über nachhaltige Verkehrssysteme, begann ich, Nachhaltigkeit als systemisches Konzept zu verstehen. Ich tauchte ein in Fragen der Ressourcennutzung, Effizienz und gesellschaftlichen Verantwortung.

Doch zum eigentlichen Umdenken brachte mich eine ganz andere Zeit: die Corona-Pandemie. Als wir gezwungen waren, fast alles online zu bestellen, fiel mir zum ersten Mal bewusst auf, wie viel Verpackungsmüll wir produzieren – selbst für die kleinsten Dinge. Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich einen großen Karton auspackte, in dem lediglich eine winzige USB-Stick-Verpackung lag – eingebettet in mehrere Lagen Plastik, Papier und Füllmaterial. Das war der Moment, in dem mir klar wurde: Wir haben uns daran gewöhnt, Überfluss als Normalität zu akzeptieren.

Was damals eine Notlösung war, ist heute oft zur Gewohnheit geworden: übermäßiger Konsum, spontane Online-Käufe, unnötige Lieferungen. Gleichzeitig fuhren weniger Autos, die Städte wurden leiser – und ich fragte mich: Was davon wollen wir wirklich beibehalten?

Früher klang Nachhaltigkeit für mich nach Verzicht. Heute bedeutet sie Freiheit – die Freiheit, mich nicht länger vom Überfluss steuern zu lassen. Was ich früher als Einschränkung empfand, ist für mich heute ein Gewinn: Nachhaltigkeit heißt, frei zu sein vom Zwang, immer mehr haben zu müssen.

Nachhaltigkeit bedeutet für mich heute, Entscheidungen nach Bedarf statt nach Gier zu treffen. Es geht darum, bewusst zu konsumieren – also nur das zu nutzen, was ich wirklich brauche, anstatt mich vom ständigen Streben nach „mehr, größer, besser, neuer“ leiten zu lassen. Natürlich darf es auch mal etwas Besonderes sein – aber mit Maß und Sinn.

Diese Haltung lässt sich auf viele Lebensbereiche übertragen: auf Konsumgüter, Ernährung, Mobilitätsverhalten und unseren gesamten Lebensstil. Wer nur das nutzt, was er braucht, Verschwendung vermeidet und der Versuchung widersteht, ständig mehr anzuhäufen, lebt nicht nur nachhaltiger, sondern oft auch bewusster, zufriedener und freier.

Nachhaltigkeit ist für mich aber mehr als eine persönliche Haltung – sie ist ein Prinzip, das in größeren Zusammenhängen gedacht werden muss.

Jeder nachhaltige Prozess beginnt mit der Frage: Welche Ressourcen werden genutzt? (z. B. Rohstoffe, Energie, Wasser)
Wie lange sind sie verfügbar? Sind sie erneuerbar oder endlich – und verbrauchen wir sie schneller, als sie sich regenerieren?
Und schließlich: Welche Folgen hat ihr Verbrauch für das gesamte System? Umweltzerstörung, soziale Ungleichheit, Kinderarbeit oder wirtschaftliche Instabilität – all das sind mögliche Konsequenzen.

Man kann weniger kaufen, aber bewusster. Man kann Mahlzeiten planen, um weniger Lebensmittel zu verschwenden. Und man kann bei Kleidung oder Technik auf Langlebigkeit und Reparierbarkeit achten.

Nachhaltigkeit bedeutet für mich:

✔vorausschauendes Denken,

✔systemisches Verständnis

✔und die Verantwortung, heute so zu handeln, dass morgen noch Möglichkeitsräume offen bleiben.

Für mich ist Nachhaltigkeit keine Einschränkung, sondern eine Einladung, bewusst, fair und zukunftsorientiert zu leben – im Kleinen wie im Großen.

Nachhaltigkeit muss Teil der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Logik werden. Und sie beginnt in jedem von uns.